Ein markiertes Viertel.

Das Projekt in Kürze

Eisenbahnstraße in Leipzig? Die Medien sind seit Jahren voll mit rassistischen und klassistischen Klischees dazu. Und wie um diese Stigmatisierung amtlich zu bestätigen wurde hier im November 2018 Sachsens erste Waffenverbotszone eingeführt.

Wir dachten: das nervt! Und interviewten Anwohner*innen aus den anliegenden Vierteln. Diese Gespräche haben wir zusammen mit anderen Texten und vielen eigenen Fotos in zwei Ausgaben unserer Zeitung „Gefährlicher Gegenstand: Eisenbahnstraße“ veröffentlicht – um zu zeigen: die Eisenbahnstraße ist viel mehr! Und die Probleme, die es hier gibt, sind komplexer als die BILD oder ProSieben uns erzählen wollen.

Aktuelle Ausstellungen

Planen-Ausstellung seit 4/2021
East Park, Mariannenstraße 91 3⁄4

Online-Ausstellung

Vorschau Online-Ausstellung

Das ist die Onlineversion von unserem Projekt. Ebenso wie die Zeitungen enthält es Interviews mit Anwohner*innen und verschiedene fotografische Strategien, sich den Vierteln rund um die Eisenbahnstraße, sowie den uns wichtigen Themen zu nähern. Dazu kommen einzelne Videoclips und in Zukunft eventuell Audioaufnahmen.

Zentrales Anliegen der Onlineversion ist wie bei den Zeitungen, die Stimmen derjenigen zu verstärken, die um gleiche Rechte oder überhaupt ihre Existenz und ihren Raum in der Gesellschaft kämpfen müssen. Diese Kämpfe zu unseren zu machen und dabei, wie es die Künstlerin-Aktivistin Ayşe Güleç formulierte, uns nicht vor sie zu stellen, nicht neben sie, sondern zu ihnen, ist unser Ziel. Die Themen sind dabei die gleichen wie in den Ausgaben der Zeitung: es geht um Racial Profiling, Verdrängungsprozesse, Alltag und strukturellen Rassismus.

Wir wünschen einen guten und nachdenklich machenden „Ausstellungsbesuch“!

Gefördert durch das Kulturamt der Stadt Leipzig.

Editorial Ausgabe 2

Als wir Ende 2018 mit dem Projekt »Gefährlicher Gegenstand: Eisenbahnstraße« begannen, waren wir angetrieben davon, wie ungerecht, stigmatisierend und strukturell rassistisch wir einen großen Teil der Berichterstattung und politischen Äußerungen im Zusammenhang mit den migrantisch geprägten Vierteln Volkmarsdorf und Neustadt-Neuschönefeld im Leipziger Osten fanden. Ein Höhepunkt im Kampf um die Bewertung der Probleme und Wahrnehmung der Eisenbahnstraße war für uns die öffentlich inszenierte Enthüllung der Schilder rund um die neu eingeführte Waffenverbotszone im November 2018 durch den Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung und den sächsischen Innenminister Roland Wöller, begleitet durch eine Kampagne der BILD-Zeitung. Ein sogenanntes „Gefahrengebiet“ bestand jedoch schon länger in einem nahezu deckungsgleichen Bereich. Dieses bildet die Rechtsgrundlage für „verdachtsunabhängige Kontrollen“ – wobei die Kontrollierten nicht zufällig ausgewählt werden, sondern auf Grund von Annahmen anhand äußerlicher Merkmale oder eines bestimmten Auftretens. Schnell kommt es hier zum berüchtigten Racial Profiling, also der Einschätzung Schwarzer Personen und Personen of Color als gefährlich durch die Polizei und andere Ordnungsbeamte. Und auch unverhältnismäßig erlebte Gewaltanwendung wird in diesen Fällen immer wieder von den so Kriminalisierten berichtet. Des Weiteren werden auch Menschen häufiger kontrolliert, die nicht der geschlechtlichen Norm entsprechen oder aufgrund von Klassismus (bspw. obdachlose Menschen).

Die Initiative Copwatch Leipzig trägt seit mehreren Jahren Kritik an dieser Praxis mit Demonstrationen und Diskussionsveranstaltungen in die Viertel und ermutigt Passant*innen, solche Kontrollen zu beobachten und einzuschreiten. Mit unserer Zeitung wollen wir zusätzlich ein alternatives Printmedium schaffen, das dem weit verbreiteten Image ein differenzierteres Bild entgegensetzt und zu weiterführenden Diskussionen anregt. Hauptteil sind lange Gespräche mit Menschen, die ihren Arbeits- und Lebensschwerpunkt rund um die Eisenbahnstraße haben. In dieser Ausgabe sind Beiträge von Menschen dazu gekommen, die schon länger zur Waffenverbotszone in Leipzig und zu Polizeigewalt allgemein arbeiten, sowie zum Thema Verdrängung – ein Schwerpunkt, um den es besonders im letzten Teil der Zeitung geht. Wir selbst untersuchten mit verschiedenen fotografischen Strategien die Themen, die uns bewegen.

Mit der Frage im Kopf, wie die voranschreitende Gentrifizierung im Viertel und der Hype um den „Gefährlichen Ort“ zusammengehören, haben wir zum einen in analytischen schwarz-weiß Aufnahmen Oberflächen und Hausfassaden der Viertel fotografiert. Da Google Street View bereits 2008 und 2009 die Viertel dokumentierte, konnten wir zum anderen einen Blick zurück werfen und vor dem Bildschirm nach eigenen Bildern suchen. In den Kommentaren auf Tripadvisor, Google Maps, booking.com und airbnb suchten wir nach Bewertungen einzelner Orte im Viertel. Wir lösten diese aus dem Kontext und stellten sie neu zusammen, um die Absurdität des konsumierenden und bewertenden Blicks auf die Eisenbahnstraße hervorzuheben. Mit einer Kleinbildkamera hielten wir zudem verschiedene Botschaften auf Häusern und Schildern und Situationen auf den Straßen fest. Und natürlich haben wir die Begegnungen mit den Bewohner*innen in Portraits festgehalten, die euch einladen sollen, sich auf ihre Perspektiven einzulassen.

Wir selbst sind weiß, cis, männlich und hetero und damit in den aktuellen gesellschaftlichen Verhältnissen in einer sehr privilegierten Position. Deswegen finden wir es wichtig, zuzuhören und die Stimmen derjenigen zu verstärken, die um gleiche Rechte oder überhaupt ihre Existenz und ihren Raum in der Gesellschaft kämpfen müssen. Diese Kämpfe zu unterstützen und dabei, wie es die Künstlerin und Aktivistin Ayşe Güleç formulierte, uns nicht vor die marginalisierten Personen zu stellen, nicht hinter sie, sondern zu ihnen, ist unser Anliegen und Ziel. Die Gespräche in dieser Zeitung sehen wir als einen Beitrag zu der dafür dringend nötigen Annäherung und Sichtbarmachung. Und auch wenn wir dabei die im Journalismus angelegte Macht des Filterns und Selektierens nicht auflösen können, versuchen wir doch, unseren Gesprächspartner*innen soviel Macht wie gewünscht zu lassen in der Frage, wie sie fotografisch dargestellt werden, welche Gedanken privat bleiben und mit welchen sie in die Öffentlichkeit treten wollen.

Dabei haben wir uns selbst vorbehalten, diskriminierende Äußerungen herauszustreichen – wenn sie uns aufgefallen sind. Außerdem führten wir ein Gespräch mit einem alteingesessenen weißen Ladenbesitzer, der am laufenden Band rassistische Klischees und Vorurteile äußerte. Wir widersprachen direkt, es entstand ein Schlagabtausch ohne Einsicht und Verständnis oder gar Konsens. Nach vielem Überlegen, Abwägen und nochmaligem Anhören unserer Aufnahmen von dem Gespräch entschieden wir, dieses nicht zu veröffentlichen. Wir wollen Positionen, die Menschen pauschal abwerten, keinen Raum geben, schließlich gibt es dafür bereits genug mediale Aufmerksamkeit und andere Plattformen. Wir wollen damit nicht verschweigen, dass Rassismus und andere Formen von Diskriminierung nicht nur durch die staatliche Exekutive ausgeübt werden, sondern auch von den Bewohner*innen des Viertels rund um die Eisenbahnstraße ausgehen. Es war uns jedoch wichtiger, den von Diskriminierung Betroffenen Raum für ihre Perspektiven zu geben und nicht den Täter*innen.

Auf den Reise- und Bewertungsplattformen im Internet stolperten wir immer wieder über den Begriff „multi-kulti“. Mal wird er verdammend und extrem abwertend benutzt und verbindet abstruserweise Probleme im Viertel direkt mit Migration. Mal scheint er diese Probleme komplett zu negieren und exotisiert Schwarze Menschen und Menschen of Color. Während ihnen in dieser Gesellschaft unter anderem systematisch Zugänge zu besser bezahlten Jobs verwehrt bleiben, müssen sie für das Lebensgefühl von weißen herhalten, die sich mit Internationalität und Diversität schmücken wollen. Beide Extreme kommen uns seltsam realitätsfern und auch rassistisch diskriminierend vor.

Nichtsdestotrotz, Ansichten und Meinungen können sich verändern – wenn man sie reflektiert und sich darüber austauscht. Das merkten wir in unseren Gesprächen für diese Zeitung, und das merkten wir auch bei unserer Wanderausstellung im Sommer 2019, bei der wir mit der ersten Ausgabe auf vier Marktplätzen in sächsischen Kleinstädten präsent waren. Die Eisenbahnstraße war dort Vielen ein Begriff, auch wenn die meisten noch nie da waren, und unsere abweichenden und differenzierteren Darstellungen des Viertels konnten durchaus bei einigen Menschen etwas bewegen. Damit wollen wir uns nicht dem in den letzten Jahren viel beschworenen „mit Rechten reden“ anschließen, denn fast immer hat dies zu einer Aufwertung und Verbreitung von menschenverachtenden Ansichten im Mantel einer falsch verstandenen „Meinungsfreiheit“ geführt. Falls ihr in eurem Umfeld auf diskriminierende Vorurteile stoßt, fühlt euch ermutigt, diesen mit Informationen und Erfahrungen zu widersprechen – diese Zeitung soll dafür ein Werkzeug sein. Wichtiger scheint uns allerdings, unsere Zeit damit zu verbringen, mit den Betroffenen rechter und anderer Formen von Gewalt zu reden, sie zu unterstützen und – wie Lilly im Interview sagt – erst mal zu hören, was sie überhaupt brauchen. In diesem Sinne wünschen wir euch eine gute und nachdenklich machende Lektüre mit dieser zweiten Ausgabe. Unsere Arbeit daran wurde von 120 Personen in unserem Crowdfunding finanziert und so steht die Zeitung nun wieder zum Freien Preis zur Verfügung. Danke nochmal an alle, die die Fortführung unserer Arbeit wichtig fanden und uns unterstützt haben!

Medienecho

Ausgabe 1

Ausgabe 2

Ausgabe #1 & 2 auf deutsch direkt kaufen zum Festpreis 6€
Buchhandlung El Libro, Leipzig-Connewitz
Buchhandlung drift, Leipzig-Plagwitz

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Handabzüge auf Barytpapier

Wähle eine aus fünf Großformatfotografien. Diese vergrößern wir selbst im Fachlabor auf auf 40x50cm mit weißem Rand. Der Abzug ist handsigniert und auf eine Auflage von 3 Stück pro Fotografie limitiert.

Kontaktiere uns bei Interesse.

Vergangene Veranstaltungen

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Lesungen

Aus den langen Gesprächen in den Zeitungen lesen wir einige anregende Passagen. Danach wollen wir mit euch diskutieren: Was seht ihr für Probleme im Viertel? Was habt ihr für Erfahrungen mit Kontrollen in der Waffenverbotszone gemacht? Warum passiert so wenig gegen die Waffenverbotszone? Was muss sich ändern, damit sich alle sicher fühlen können im Viertel?

»Donnerstag, 23.1.2020, 18.00
Pöge-Haus, Hedwigstraße 20, Leipzig

» Freitag 14.2.2020 20.00
adi, Georg-Schwarz-Str. 19, Lindenau

» Mittwoch 19.2.2020 19.00
el libro, Bornaische Str. 3d, Connewitz

» Samstag 12.9.2020 17.00
Radical Bookfair Leipzig

10/8/2019
Hildegardstraße, Leipzig

8-9/2019
Döbeln, Weißwasser, Annaberg-Buchholz, Hoyerswerda
mit “Kein schöner ____ in dieser Zeit

15/2/2021 – 28/2/2021
Eisenbahnstraße 97, Leipzig

15/2/2021 – 28/2/2021
Rabet, Leipzig

25.6. – 3.7. 2021
Ausstellung während des f/STOP Fotofestival als f/stop SATELLIT
im Salon der Villa Plagwitz, Karl-Heine-Str. 108, Leipzig

Ausstellungen

Crowdfunding

Dank der Unterstützung von 120 Personen im Crowdfunding konnten wir die Zweite Ausgabe der Zeitung realisieren, die Ende Juli 2020 erschienen ist.

Projektseite bei Startnext

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